Wie barrierefrei ist barrierefrei?
Ein gebuchtes Wochenende in einem Hotel, das sich als barrierefrei bezeichnete, gestaltete sich als Albtraum. Der ausgewiesene Behindertenparkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite war so zur Seite geneigt, dass ich mich in meinem Rollstuhl festklammern musste, um nicht herauszufallen. Meinen Plattformlifter auszufahren, war schlicht unmöglich. Also lud meine Frau das allernötigste Gepäck aus und ich machte mich auf die Suche nach einem benutzbaren Parkplatz, den ich auch glücklich einige hundert Meter entfernt fand. Wieder am Hotel angekommen, fand ich neben der Eingangstreppe eine so steile Mini-Rampe vor, dass ich mich dort hochschieben lassen musste.
Im gebuchten Zimmer war der Zugang zum Bad so schmal, dass ich mit meinem Rollstuhl nicht hinein kam.

Doch was ist eigentlich Barrierefreiheit?
Es gibt Menschen mit allen möglichen Behinderungen, die auf die unterschiedlichsten Arten behindert werden. Für Seh- oder Hörbehinderte ist eine Stufe leicht zu bewältigen. Aber was tun Blinde, wenn sie vor einem Schaufenster stehen? Das Fenster können sie ertasten. Die ausgestellten Schaustücke müssen sie sich beschreiben lassen. Spontan fiele mir eine Braille-Zeile in Blindenschrift am unteren Rand des Fensters ein. Die müsste dann aber bei jeder Umdekorierung neu gesetzt werden – viel zu viel Aufwand. Inzwischen soll es eine Smartphone-App geben, die das Gesehene beschreiben kann. Wie ein blinder Mensch diese aufrufen kann, das entzieht sich mir als Sehendem.
Ein Mensch mit einer Hörbehinderung kann zwar das Schaufenster sehen und auch erreichen. Seine Barriere erscheint, wenn er im Geschäft eine Beratung möchte. Wie viele Verkäufer und Verkäuferinnen beherrschen die Gestensprache der Hörbehinderten?
Bei Menschen mit einer kognitiven Behinderung habe ich schön häufig erlebt, dass ihre Gegenüber einfach lauter reden. Das Ergebnis ist, das diese erschrecken und entweder verschüchtert oder aggressiv darauf reagieren – absolut verständlich.
Meine ganz persönliche Meinung ist, dass mit ein wenig Verständnis für die Situation des anderen schon sehr viel erreicht werden kann.
Ganz wichtig dabei: Eine ungefragte, vermeintliche Hilfe kann das Gegenteil bewirken.
Ziehe ich mich an einem Geländer eine Rampe hoch und jemand schiebt mich von hinten an, haut es mich mit Sicherheit aus meinem Rollstuhl.
Ein schlichtes: „Darf ich helfen“ oder „Wie darf ich helfen“ wirkt da Wunder.
„Gerne“ sagt dann vielleicht ein blinder Mensch, „Was steht denn auf diesem Schild?“
Übrigens: In Deutschland gibt es über 6 Millionen Menschen, die nicht oder nur sehr schlecht lesen können.
Deren Lieblingssatz? „Ich habe meine Brille vergessen …“
Schon mal gehört?