Erika Naumer-Klein macht mobil

Erika Naumer-Klein ist seit über zehn Jahren mit dabei, aktuell im Vorstand des Vereins und im Beratungsteam von Mobil mit Behinderung (MMB). „Es entspricht meinem Naturell, mich um Ratsuchende zu kümmern, ich mache das sehr gerne“, sagt die studierte Sozialarbeiterin mit Berufserfahrung in der Betreuung von Tagesmüttern und in der Jugendgerichtshilfe.

Als sie als Interessenvertreterin Contergan-Geschädigter bei einer Mitgliederversammlung der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter Rheinland-Pfalz vom MMB erfuhr, ist sie erst einmal Mitglied geworden. „Heute ist es in der Regel so, dass die Leute Mitglied werden, weil wir sie dann in Sachen PKW-Finanzierung beraten“, weiß sie aus ihrer Arbeit.

Dabei setzt sich der Verein auch politisch für mobilitätsbehinderte Menschen ein, wofür Ressourcen und Aktive gebraucht werden. „Ziel ist ja, dass die Hilfe mehr über die staatliche Schiene laufen soll, dafür engagieren wir uns.“

Vorstand – Erika Naumer-Klein

Der MMB kauft keinem ein Auto, sondern bietet Hilfe zur Selbsthilfe an

In manchen Zeiten bekommt der MMB monatlich 40 bis 60 Anfragen für PKW-Finanzierungen. Um das zu bewältigen, könnte eine Vollzeitstelle geschaffen werden. Doch Erika Naumer-Klein teilt sich die Arbeit mit mehreren ehrenamtlich tätigen Kolleginnen und Kollegen. „Wir sind alle selbst behindert oder Eltern behinderter Kinder und haben selbst zeitliche, physische, und psychische Grenzen.

Häufig müssen die Beraterinnen und Berater erst einmal Erwartungen zurechtrücken: „Nein, der MMB beschafft Ihnen kein Auto. Wir helfen Ihnen dabei, wie Sie selbst die Finanzierung eines bedarfsgerechten Fahrzeugs hinbekommen können.“ Die Ehefrau und Mutter versteht Familien sehr gut, denen das zu viel ist. Wer sich um ein behindertes Kind, eine Partnerin oder einen Partner mit Assistenzbedarf oder pflegebedürftig gewordene Eltern kümmert, hat kaum Zeit und Kraft zig Stiftungen anzuschreiben, im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis oder über einen Medienaufruf Spenden einzusammeln oder andere Geldquellen aufzutun. „Aber der Aufwand lohnt sich! Sie können wieder etwas gemeinsam unternehmen, am Leben teilhaben“, motiviert sie die Hilfesuchenden.

Viele Ratsuchende haben Hemmungen, um Spenden und Stiftungsgelder zu bitten

Als die Beraterin MMB-Mitglied wurde, hatte sie einen PKW. Der war aufgrund ihrer Berufstätigkeit vom Amt voll finanziert worden. Als sie wegen zunehmender körperlicher Probleme in Frührente gehen musste war ihr klar, dass sie aus eigenen Mitteln ein Auto beschaffen muss, sobald ihr Mobil das Zeitliche segnet. Als es soweit war, klemmte sie sich mit der Unterstützung vom MMB dahinter.

Aus eigener Erfahrung und nun vielen Jahren Beratungstätigkeit weiß sie, was es bedeutet, die Hemmschwelle zu überwinden – die Hemmschwelle, andere um Geld zu bitten. Sogar das eigene Umfeld hält Bemerkungen bereit wie: ‚Jetzt braucht ihr auch noch für ein Auto Geld, die Behinderten kriegen doch eh schon alles bezahlt. Was wollt ihr noch alles abkassieren‘. Dass das sachlich nicht stimmt, ist eine Sache – die andere, solche Anfeindungen auszuhalten.

Der Aufwand, bis eine Finanzierung steht, ist nicht zu unterschätzen, aber machbar. Und schließlich haben die Betroffenen gar keine andere Wahl. „Es melden sich Leute, die schon angefangen haben Geld zu sammeln und die dann von den Stiftungen an uns verwiesen werden, aber auch ganz Unwissende, mit denen ich dann gemeinsam die Antragsunterlagen erarbeite. Manchmal helfe ich auch bei Formulierungen.“

Das Vorgehen hat eine gewisse Routine. Es gibt sehr schleppende Verfahren, aber auch Fälle, da sind Mitbürgerinnen und Mitbürger unglaublich hilfsbereit und die benötigte Summe ist rasch zusammen. „Eine Beratung hat mich beeindruckt. Da hatte eine berufstätige, alleinerziehende Mutter eines behinderten Kindes die Stiftungsanschreiben alle mit der Hand geschrieben, weil sie keinen Computer hat. Die Stiftungen haben erkannt, dass sich da eine Mutter unglaublich engagiert und es hat geklappt“, freut sich die Beraterin.

„Einmal hat ein Sozialamt ganz dreist jemanden direkt zu uns geschickt. Aber wo es einen Willen gibt, scheint es auch Ermessensspielräume zu geben.“ Eine Arbeitssuchende junge Mutter mit behindertem Kind hat erreicht, dass das Jobcenter ihr einen Gebrauchtwagen bezahlt. Das ist jedoch die Ausnahme. „Meistens werden die Familien von den Ämtern im Stich gelassen.“ Daran hätten bisher weder die UN-Behindertenrechtskonvention noch vollmundige Statements zur Inklusion etwas geändert, ärgert sich Erika Naumer-Klein.

Problem:
Für die ambulanten Hilfen sind alleine die klammen Kommunen zuständig

Dass örtliche Behörden lieber einen Heimplatz anbieten, als einzelne Hilfen, damit ein Mensch mit Handicap selbstständig leben kann, ist ein strukturelles und weit verbreitetes Problem. Diese exklusive Praxis wird so lange andauern, wie Bundespolitikerinnen und -politiker zwar Inklusion predigen, aber die Kommunen den Großteil der Inklusionskosten alleine zahlen müssen. Ein Heimplatz wird vom Land bezuschusst, ambulante Hilfe nicht. „In Rheinland-Pfalz ist man dabei dies zu ändern. Ich hoffe, dass die anderen Kommunen mitziehen werden“, sagt Erika Naumer-Klein.

„Ich persönliche merke immer wieder, wie viel Glück ich hatte. Meine Eltern haben mich in der Regelschule untergebracht“, erzählt sie. Das sei aber nur gegangen, weil sie mit Prothesen laufen konnte. Nur im Rollstuhl hätte das nicht geklappt, weil die Gebäude nicht barrierefrei waren. „Körperlich war das sehr anstrengend für mich, aber es hat mir auch viel geebnet. Es war super von dem Gefühl her, dazuzugehören und nicht irgendwo im Rehazentrum zu sitzen. Aber ich musste mich anpassen. Meine Eltern erkannten, wenn du nicht klar kommst, dann musst du in die Sonderschule. Das war ständig bei mir im Hinterkopf, dass ich mich anstrengen muss.“

Fast alle Kurse, die sie im Gymnasium besuchte, wurden in einen Saal im Erdgeschoss verlegt. Mitschüler_innen und Lehrer_innen dachten damals vermutlich weniger über Inklusion nach sondern schlossen sie einfach erst gar nicht aus. Zum Studium zog es Erika Naumer-Klein zu einer Freundin nach Freiburg. Die dortige Evangelische Hochschule war barrierefrei, was maßgeblich für ihre Studienplatzwahl war. „Meinen Abschluss habe ich in der Tasche gehabt, als ich im achten Monat schwanger war“, sagt Erika Naumer-Klein und lacht. Eine knappe Sache. Nach einer Kinderpause versuchte sie, als Sozialarbeiterin beruflich Fuß zu fassen. „Tja, eine behinderte Sozialarbeiterin, das war nicht einfach, zumal das damals ein Modeberuf war. Ich habe über Vitamin B dann eine Teilzeitstelle im örtlichen Jugendamt bekommen.“

Kämpfen, damit alte Quellen nicht versiegen und neue erschlossen werden können

Die Frührente aus gesundheitlichen Gründen mit Mitte Dreißig läutete einen neuen Lebensabschnitt ein. Zeiten, die sie nicht für ihre Familie oder sich selbst benötigt, investiert sie gerne, um die politische Arbeit des MMBs voranzubringen oder einzelne Mitglieder zu betreuen. Erika Naumer-Klein hat die Befürchtung, dass die Stiftungen langfristig ihr Engagement im Bereich PKW-Finanzierung zurückfahren könnten. Sie beobachtet eine Zunahme von Auflagen und Begrenzungen. Gleichzeitig weiß sie, dass die Stiftungen die professionelle Antragsbegleitung durch den MMB schätzen und der MMB als zuverlässiger Partner wahrgenommen wird. Allerdings hat vor allem die Finanzkrise Löcher in manchen Stiftungskassen hinterlassen. Stiftungen, die gerne helfen würden und deren Satzung das auch zulassen würde, haben gar nicht mehr immer die finanziellen Mittel, dies auch zu tun.

Was Erika Naumer-Klein, die ihre Sachkompetenz verantwortungsvoll und mit Empathie ehrenamtlich anderen zur Verfügung stellt, richtig sauer macht, sind Mitglieder, die exakt nur so lange Mitglieder bleiben, wie sie den MMB-Service in Anspruch nehmen. „Die vergessen, dass sie vielleicht in ein paar Jahren wieder ein Auto brauchen. Auch wenn das hart ist, aber ein zweites Mal nehmen wir Ausgetretene nicht wieder als Mitglieder auf. Ich habe Verständnis, wenn jemand sich aus gesundheitlichen, familiären, beruflichen oder anderen Gründen nicht aktiv in die Vereinsarbeit einbringen kann. Aber eine dauerhafte Mitgliedschaft, damit der Verein langfristig arbeitsfähig bleiben kann, sollte bei jedem drin sein.“

(dok)