Nachteilsausgleichsgesetz: Eine wegweisende Überlegung von Heinrich Buschmann
Die heutige Situation
In unserem aktuellen Sozialsystem sind für Menschen mit körperlichen und/oder kognitiven Einschränkungen je nach individueller Lebenssituation, Alter oder Auslöser dieser Einschränkungen zig verschiedene Kostenträger zuständig.
Dabei geht es jedoch immer um den Ausgleich, einer wie auch immer gearteten Einschränkung.
Sei es durch einen Unfall, eine Erkrankung. Sei es von Geburt an oder zu Lebzeiten erworben.
Es gilt Einschränkungen auszugleichen!
Die Herausforderungen unseres Sozialsystems
Der gravierende Fehler in unserem derzeitigen Sozialsystem liegt in der Handhabung, der Abgrenzung der Zuständigkeiten und der Kostenbeteiligung. Dieses fragmentierte System führt zu Verwirrung und Ungerechtigkeiten. Das Nachteilsausgleichsgesetz soll hier Klarheit und Transparenz schaffen.
Beispiele zur Veranschaulichung
Um die Problematik zu verdeutlichen, betrachten wir zwei Beispiele:
- Ein Rollstuhlfahrer entscheidet sich:
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- für einen elektrischen Rollstuhl:
Die Krankenkasse übernimmt die Kosten per Rezept. Einkommen oder Vermögen spielen keine Rolle.
- für einen elektrischen Rollstuhl:
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- für eine Assistenzperson, die ihn schiebt:
Er wird zum Sozialhilfeempfänger degradiert und muss sein Einkommen und Vermögen offenlegen.
- für eine Assistenzperson, die ihn schiebt:
- Ein Mensch mit einer Behinderung, der sich nicht selbst versorgen kann, z.B. Nahrungsaufnahme, entscheidet sich:
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- für einen Roboterarm, den er sich per Rezept verschreiben lässt. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten, ohne dass Einkommen oder Vermögen relevant sind.
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- für eine Assistenzperson, die er beim Sozialamt beantragt: Damit wird er automatisch zum Sozialhilfeempfänger degradiert und muss sein Einkommen und Vermögen offenlegen.
In beiden Fällen geht es rein nur um den Ausgleich einer körperlichen Einschränkung, unabhängig von ihrer Ursache.
Die Komplexität der Zuständigkeiten
Die Komplexität unseres Sozialsystems zeigt sich besonders, wenn die Ursache der Einschränkung mit einbezogen wird:
- Wurde die Einschränkung auf dem Weg zur Arbeit ausgelöst, ist die Berufsgenossenschaft zuständig. Er wird in allen Lebenslagen Unterstützung erhalten. Vermögen und Einkommen spielen keine Rolle.
- Für den Erhalt der Arbeitskraft ist der Rententräger verantwortlich. Er wird sowohl bei der Ausgestaltung seiner Mobilität als auch direkter Arbeitsassistenz unterstützt. Das Vermögen spielt hier keine Rolle.
Das aktuelle Sozialsystem unterscheidet nach zahlreichen Faktoren, um den „passenden“ Kostenträger zu bestimmen, obwohl es in allen Fällen immer nur um den Ausgleich einer Einschränkung geht. Prinzipiell müsste die Krankenkasse immer die zuständige Stelle sein, jedoch wurde der Hilfsmittelkatalog mehr und mehr eingeschränkt, um die Balance der Beiträge zu wahren. Viele Hilfsmittel wie Brillen, Hörgerät oder Zahnersatz wurden aus dem Hilfsmittelkatalog gestrichen und somit das Problem wieder auf den Betroffen zurück übertragen.
Dem Grunde nach ist das auch richtig, wenn man den Sinn der Krankasse im Blick hat!
Die fundamentale Aufgabe der Krankenkasse liegt rein nur in der Gesunderhaltung / Genesung / Heilung.
Ein Rollstuhl, Brille, Gebiss oder Hörgerät gehören nicht dazu!
Weder ein Rollstuhl, noch eine Brille oder Hörgerät wird dazu beitragen, mein Leben zu verlängern oder gar verkürzen.
Der Rollstuhl bewegt mich von A nach B. Also typisch Eingliederungshilfe! Die aber würde sofort nach Einkommen und Vermögen fragen.
Ein völlig irres, unserer Gesellschaftsform nicht mehr gerecht werdendes System!
Der Zweck des Nachteilsausgleichsgesetzes
Das Nachteilsausgleichsgesetz soll die mannigfaltigen Zuständigkeiten auflösen und sicherstellen, dass der Ausgleich von Einschränkungen im Vordergrund steht. Weder der Auslöser der Einschränkung noch die Lebensumstände oder das Alter dürfen eine Rolle spielen. Es darf nur eine einzige Zuständigkeit geben, die zentral und effizient agiert.
Vorteile des Nachteisausgleichsgesetzes
- Entlastung der Kommunen und Kreise: Die derzeitigen Mittel zur Deckung von Assistenzkosten werden von den Kommunen bereitgestellt. Diese Kosten sollen zentral durch das Nachteilsausgleichgesetz zur Verfügung gestellt werden!
Für die Kommunen und Kreise eine erhebliche Entlastung! - Entlastung der Kostenträger: Die mannigfaltigen Kostenträger, z.B. KK, BG, Rententräger, die je nach Lebenssituation und Auslöser der Behinderung die Hilfsmittelkosten übernehmen, werden durch das Gesetz erheblich entlastet.
- Leistungen aus einer Hand: Das Gesetz garantiert, dass alle Leistungen ohne Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse gewährt werden.
Das Gesetz stellt sicher, dass alle Hilfsmittel, die zum Ausgleich von Einschränkungen benötigt werden, einheitlich finanziert werden – unabhängig davon, ob ich z.B. ein Fahrzeug benötige, um meinen Arbeitsplatz zu erreichen, meine Freizeit oder Ehrenamt damit organisiere oder einfach nur um den familiären Zusammenhalt zu sichern.
Jeder würde durch das Nachteilsausgleichgesetz Kosten einsparen!
Vor allem die Kommunen und Kreisverwaltungen, die KK’s, BGs und Rententräger. Die Vereinfachung und Transparenz des Systems wäre für die Betroffenen eine große Entlastung.
Finanzierung des Nachteilsausgleichsgesetzes
Das Nachteilsausgleichsgesetz soll als steuerfinanziertes System aufgebaut werden, in das jeder, der Einkommen erzielt, einzahlt. In einer Übergangszeit könnten die etablierten Kostenträger ihre bisherigen Einnahmen, die sie durch das Gesetz einsparen, in dieses neue System einfließen lassen.
Zentrale Verwaltung und Standardisierung
Eine zentrale Verwaltung, die mehrheitlich aus Selbstbetroffenen bestehen sollte, kann die Anträge koordinieren und so nach und nach ein Kompetenzzentrum aufbauen. Diese Verwaltung könnte auch Einfluss auf die Standardisierung der Hilfsmittel nehmen und so Kosten senken.
Fazit
Das Nachteilsausgleichsgesetz bietet die Möglichkeit, die Zuständigkeiten zu bündeln, das Sozialsystem zu entlasten und ein gerechteres und effizienteres Unterstützungssystem für alle Betroffenen zu schaffen. Durch die Aufhebung der Hilfsmittelbarrieren und die Einführung einer zentralen Verwaltung kann das Gesetz zudem einen erheblichen Beitrag zur Kostenkontrolle leisten. Damit wäre dann auch ein massives Werkzeug geschaffen, welches der Kosten Explosion, aber auch dem Kostenwildwuchs Einhalt bieten kann.
Die zentrale Verwaltung könnte massiven Einfluss auf die Standardisierung bei der Entwicklung nehmen und so die Hilfsmittel wesentlich günstiger machen.
Behindert zu sein ist kein gewollter Akt – es ist Schicksal, das den „Einzelnen“ sehr hart trifft, aber durch das Verständnis und die Unterstützung der Gesellschaft gemildert werden kann. Wenn, ja – wenn sich jeder in der Gesellschaft dessen bewusst wäre, dass er morgen dieser „Einzelne“ sein kann. Gemeinsam – Mitten in der Gesellschaft – und nicht „Einzeln“ – isoliert und ausgeschlossen – muss unser aller Ziel sein.