Brief von Heinrich Buschmann an den Bundesgesundheitsminister
Sehr geehrter Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach,
die privat organisierte Pflege wird immer hoch gelobt und deren enorme Bedeutung als Beitrag für unsere Gesellschaft herausgestellt. Am 01. Januar 2022 wurde die Verhinderungspflege um 10 % angehoben. Ein wichtiger, ein richtiger Schritt – wenn er für alle Gültigkeit hätte!
Allen Anschein nach kennt aber die soziale Ungerechtigkeit in unserem Lande keine Grenzen!
Wieder einmal sind es die pflegenden Angehörigen, auf deren Rücken der Staat spart!
Wie sonst erklären Sie sich, diese als schallende Ohrfeige für alle pflegenden Angehörigen empfundene ungleiche Erhöhung der Verhinderungspflege um 10%, da die jedoch nur für den gewerblichen Bereich gilt? Aber, als ob das noch nicht herabwürdigend genug wäre, hält man an einer „hälftigen Verhinderungspflege“ (806 Euro) fest, für die es keinen realen Bezug mehr gibt.
Die nun gültige Erhöhung widersprich dem Gleichheitsgebot.
Wenn die privat organisierte Pflege wirklich die Bedeutung hat, wie sie durch die Bundesregierung in lobenden Worten immer postuliert wird, dann muss hier eine Änderung erfolgen. Es sei denn man will die privat organisierte Pflege ins Abseits drängen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Preissteigerungen sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich gleichermaßen negativ auswirken – damit ist die Erhöhung der Verhinderungspflege auch gleichermaßen durchzuführen!
Die Verhinderungspflege beinhaltet zum Einen die klassische, stationäre Kurzzeitpflege und zum Anderen die „Stundenweise Ersatzpflege“.
Bisheriger Stand war:
stationäre Kurzzeitpflege = 1.612 Euro pro Jahr
stundenweise Ersatzpflege = 1.612 Euro pro Jahr
plus 50 % aus der Kurzzeitpflege = 806 Euro, sofern man diese nicht in Anspruch genommen hat. Also insgesamt 2.418 Euro für die privat organisierte Pflege.
Nun, nach der Erhöhung um 10 % sieht es so aus:
stationäre Kurzzeitpflege = 1.774 Euro pro Jahr
stundenweise Ersatzpflege = 1.612 Euro pro Jahr
plus xx % aus der Kurzzeitpflege = 806 Euro, sofern man diese nicht in Anspruch genommen hat. Also insgesamt 2.418 Euro für die privat organisierte Pflege! Keine Erhöhung im privaten Bereich.
Rein rechnerisch und vom Sinn her korrekt wäre aber zumindest dieser Ansatz:
stationäre Kurzzeitpflege = 1.774 Euro pro Jahr
stundenweise Ersatzpflege = 1.612 Euro pro Jahr
plus 50 % aus der Kurzzeitpflege = 887 Euro, sofern man diese nicht in Anspruch genommen hat. Also insgesamt 2.499 Euro für die privat organisierte Pflege!
Ausgehend, dass die Kostensteigerung sich sowohl im gewerblichen wie auch im privaten Bereich gleichermaßen auswirken, wäre folgende Berechnung,
dem Gleichheitsgebot folgend, richtig:
Dieser Ansatz, rein wirtschaftlich, vor allem aber menschlich wäre korrekt:
stationäre Kurzzeitpflege = 1.774 Euro pro Jahr
stundenweise Ersatzpflege = 1.774 Euro pro Jahr
plus 50 % aus der Kurzzeitpflege = 887 Euro, sofern man diese nicht in Anspruch genommen hat. Also insgesamt 2.661 Euro für die privat organisierte Pflege!
Beim MMB (Mobil mit Behinderung e.V.) laufen die Telefone heiß. Täglich erreichen uns empörte Anrufer, die ihrer Wut freien Lauf lassen. Die sich zurecht darüber beschweren, dass man sie im Regen stehen lässt.
Gerade und vor allem Familien trifft es hier sehr, sehr hart!!
Sich mal eine Auszeit gönnen, abschalten – wieder zu sich finden und ja, wieder einmal der Beziehung einen Raum geben, sich zu erholen!!
Für diese 24/7 pflegenden Eltern ist dies eine schallende Ohrfeige. Sie werden ins Abseits gedrängt:
„You’ll never walk alone“ — niemand wird alleine gelassen. Dafür steht unser Bundeskanzler Olaf Scholz und dafür steht die SPD.
Doch es sind genau diese Eltern, auf die dieser Spruch nicht zutrifft! Ist das der Wille der SPD? Ist das sozial gerecht?.
Lasst die pflegenden Angehörigen nicht im Regen stehen!
Sie tragen die Hauptlast im Bereich der Pflege! Alle arbeitsschutzrechtlichen Maßgaben versagen in diesem Bereich!
Niemand fragt die Mutter, den Vater, ob er bereits seine maximale Arbeitszeit von 10 Stunden erfüllt hat!
Niemand fragt die Mutter, den Vater, ob er physisch wie psychisch noch kann!
Die Regierenden erwarten einfach, dass die Mutter, der Vater rund um die Uhr 7 Tage in der Woche den Job erfüllen!
Korrekt? Sozial? – Nein, das ist es allemal nicht!!
Korrekt wäre, wenn man die pflegenden Angehörigen in Lohn und Brot stellen würde. Wenn man die Mutter oder den Vater entsprechend seiner Leistung entlohnen würde.
Stellt diese Leistung auf die Stufe einer gewerblichen Pflegekraft.
Das wäre sozial, menschlich fair. So aber werden diese Menschen verheizt – am Ende bleiben nur noch die ausgezehrten Hüllen!
Denn aufholen, nachholen werden diese Menschen die Zeit der Pflege nicht können.
Mit freundlichen Grüßen
Heinrich Buschmann