Das hätte sich Sir Ludwig Guttman, der „Erfinder“ des Behindertensports, nicht träumen lassen: Die Koreaner haben genau diesen Behindertensport für sich entdeckt!

Es ist kaum zu glauben, die Austragungsplätze und Stadien der Paralymics sind voll von Besuchern, paralympische Athleten werden gefeiert, wie Rockstars – und das in einer Kultur, in der behinderte Menschen immer noch als Unpersonen gelten.

von Robert Schneider

So sehr diese Euphorie auch verblüfft, in der Realität haben behinderte Südkoreaner im Alltag mit ganz ähnlichen Widrigkeiten zu kämpfen, wie ihre deutschen Kollegen. Selbst in der Hauptstadt Seoul gibt es kaum barrierefreie öffentliche Verkehrsmittel. Aufzüge in U-Bahn Stationen haben Seltenheitswert. Barrierefreie Trainingsmöglichkeiten muss man mit der Lupe suchen.

Behinderte Arbeitnehmer haben dieselben Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden. Nach wie vor werden behinderte Familenmitglieder vor der Allgemeinheit versteckt. Behinderte Arbeitnehmer arbeiten häufig für einen Bruchteil der ohnehin dürftigen Gehälter. Koraner sind tief in ihren Traditionen verwurzelt, das hat der Verfasser am eigenen Leib verspüren dürfen. Aber ihre kleinen, aber feinen Nasen für gute Gelegenheiten, die würden selbst einen Ferengi vor Neid erblassen lassen.

In Seoul hat die Regierung den Menschen zugehört. Noch ist der Begriff Inklusion in Korea ein Fremdwort, aber immerhin gibt es ihn schon in der Schriftsprache, zumindest sinngemäß: 포함.

Die tiefere Bedeutung des Begriffs Menschen und Unternehmen nahe zu bringen, hat sich die Regierung fest vorgenommen. Und eins muss man den Koreanern lassen: Uns etwas Funktionierendes abzugucken, das haben sie so gut drauf, wie die meisten Asiaten. Gottlieb Daimler, Karl Benz, Philipp Reis – alles deutsche Erfinder. Inzwischen sind Autos von Hyundai, Samsung Fernseher oder Mobiltelefone für uns keine Exoten mehr.

Die Ausgleichsabgabe für Firmen, die eine bestimmte Anzahl behinderter Arbeitnehmer unterschreiten, haben sie schon flott übernommen. Wie erwartet, setzten sie noch einen drauf: Firmen, die mehr, als die Quote erfüllen, sollen eine Förderung von umgerechnet mehreren hundert Euro pro behindertem Arbeitnehmer erhalten. Bei den koreanischen Einkommensverhältnissen ist das mehr als ordentlich.

Lassen wir uns mal überraschen, ob man es in Korea schafft, über den behindertenpolitischen Schatten zu springen.

Ob die Paralympics der Königsweg in die Inklusion sind? Definitiv nicht, aber sie sind ein wichtiger Mosaikstein in Richtung zur Akzeptanz behinderter Menschen im ganz normalen Alltag.

Ich glaube, das würde auch Sir Ludwig begrüßen.